"Brücken bauen über 30 Jahre technische Entwicklung" am Vintage Computer Festival Zürich

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Beginnen wir mit dem Handshake: Schweizerdeutsch ? Hochdeutsch ? English ? HTML oder direkt in Assembler ?


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Beginnen wir mit einem Fallbeispiel: Ich zähle mich zwar zur Generation C64, aber ich wollte schon immer einen Amiga 600 haben.
So hab ich mir letztens endlich ein Exemplar gekauft, allerdings pur, nur mit Netzteil. Tja und nun ?


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Bestandsaufnahme: Vergilbt, Elkos tauschen, keine Maus, keine Disketten, keine Festplatte und kein Internet.


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Zuerst habe ich die Tasten abgezogen (möglichst gerade) und zu Testzwecken mit verschiedenen Chemikalien behandelt
Wasserstoffperoxid zeigte sehr schnell gute Wirkung,
Petrol zeigte keine Wirkung, Aber ein Restaurator erzählte von einer regenerierenden Wirkung,
so habe ich die V-Taste nach dem Wasserstoffperoxid in Petrol eingelegt und bin gespannt wie es in zehn Jahren aussieht :-)
WD-40 hat es fast noch gelber gemacht,
Und mit Oxi funktioniert es auch, aber sehr langsam.


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In vielen YouTube Videos sieht man, die Tasten in transparenten Plastikbeuteln untergetaucht und das Ganze in die Sonne gelegt werden.
Das ist zwar sehr einfach, das Bleichen schwächt so aber auch die innere Struktur, Sammler berichten von gebleichten Kunststoffteilen die zu Staub zerbröseln.
Daher habe ich den Aufwand betrieben und sie nur eingetaucht und nur von Aussen dem UV Licht ausgesetzt, ohne UV funktioniert es nicht.


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Wenn Sie mir noch den Sicherheitshinweis erlauben, bitte immer eine Schutzbrille tragen und auf die entsprechende Farbe achten.


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Und Bingo ! Wie neu !


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Hier zwei grässliche Fotos ausgelaufener Bauteile und deren Zerstörungswerk.
Zum Lagern reichte es nicht, die Geräte mit einer Plastikfolie abzudecken und in den Keller zu stellen.


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Auch nach dem Ausbauen sind die Elkos weiter ausgelaufen, es ist ein fortschreitender Prozess und nur eine Frage von "wann" !



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Zum Entlöten hat sich ein zweiter Lötkolben bewährt, es kann ein sehr günstiges Modell sein.


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Nach der Chemie droht auch ein physikalischer Verschleiss. Teils Hersteller garantieren, dass die Daten zehn Jahre gespeichert bleiben.
(Zehn Jahre hielt man damals für eine lange Zeit, das Erinnert an den knappen Speicherplatz für die Jahreszahl und dem folgenden Millennium-Bug...)
Übrigens, der UNIX Zeitstempel läuft im Jahr 2038 über, wir haben also noch Zeit den 32-Bit-Zähler zu vergrössern :-)
Also muss eine Sicherheitskopie erstellt werden.


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Es gibt die Möglichkeit dies bequem per Software auszulesen,
das Software Paket "Amiga Explorer" verwandelt den Amiga in ein externes Laufwerk (Mac User kennen das als "Target Mode").
Aber irgendwie muss der Dump / das Image / das Datenträgerabbild ja wieder zurück auf ein neues Medium...


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Einen Brenner zu kaufen ist zu einfach und hat keinen Lerneffekt :-)
So speichere ich das Datenträgerabbild auf eine SD Karte und verbinde alles gemäss den Datenblättern. (Ohne Spannungen!)


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Der Brennvorgang ist eigentlich sehr einfach: Man legt die entsprechende Adresse an, dann legt man die Daten an, macht eine kurze Pause,
und "brennt" die Daten ein, indem man den "Enable" für 50 bis 100 Mikrosekunden auf Masse zieht. (Unbedingt die Angaben im Datenblatt beachten!)
Dabei achten, dass weder die 12,75 noch die 6.25 Volt zum Arduino fliessen können.



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Wenn Sie mir einen kleinen Abstecher gestatten, man kann die Daten auch mit LED's sichtbar machen.
sie mit Schaltern eingeben (dazu möchte ich die Möglichkeiten von 3D Drucker erwähnen),
die Daten als unterschiedlich starke Magnetisierungen in Medien einspeichern.
Oder durch die Entfernung von Material in Papier einspeichern.

Übrigens zur besseren Lesbarkeit und zur Unterscheidung zum Buchstaben "O" wird oft die Null mit einem kleinem Punkt oder Strich versehen.


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Alles ist in Sicherheit und die Sicherheitskopie ist erstellt.
Doch nun haben wir wieder das klassische Backup Problem, dass auch die Kopien verblassen regelmässig aufgefrischt oder umkopiert werden müssen.
Wir haben ja das Glück dass wir die Hardware kopieren und wiederherstellen können.
Der Direktor des deutschen Videospielmuseums hat mal gesagt, dass mit der Virtualisierung sehr vieles unwiederbringlich verschwinden wird.
(Ein online Server der abgeschaltet wird, hinterlässt keine Spuren. Fatal für Restaurierer und Archäologen.)
Aber nun zur Maus.


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Der Amiga erwartet eine Kugelmaus mit den Signalen von zwei Lichtschranken. Diese Signale müssen wir nun nachbilden.


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https://github.com/Corbomit/Amiga-Mouse_with_Arduino_DUE

Dem Schema können wir die Belegung des Joysticks Anschlusses entnehmen und die Verbindung zum Arduino erstellen,
dabei ist es sehr wichtig die Stromversorgung von einer externen Quelle sicherzustellen, da der Joystick Port nur 50 mA liefern kann !
Die Software muss nun die X und Y Bewegungen der USB Maus in horizontale und vertikale Bewegungen einer virtuellen Kugel umrechnen
und in 4 Schritte unterteilen und diese an den Amiga senden.



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Die Maus funktioniert nun (inkl. 3. Taste), nun zur Diskette.


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"IBM und kompatibel" - kennen Sie noch ?
Verkehrte Welt: Früher bohrte man Disketten auf, heute schliesst man die Löcher.
Und der Amiga musste ja ein eigenes Format haben, Daten mit dem PC austauschen geht nicht.


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Eine kleine, unvollständige Übersicht von Datenträgern:
Der Vollständigkeit halber habe ich einen Magnetkernspeicher auf die Liste genommen, dann Lochstreifen, Lochkarten und ein "6250 CPI Tape".
Dann 8 Zoll Floppy, 5,25 Zoll Floppy, die exotische 3 Zoll "Compact Floppy Disc" und die 3,5 Zoll Disketten in DD und HD Grösse.
Damals sehr populär und wieder völlig verschwunden die ZIP Disketten (100, dann 250, gefolgt von JAZ und REV) und natürlich die Musikkassette.


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Bis heute überlebt haben aber nur die Musikkassette und die HD Diskette, wobei Lochkarten zwar nicht mehr so zu kaufen sind,
aber ich kann dickes Papier nehmen, es bedrucken und ausstanzen.


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HD und DD Disketten sind zwar bedingt kompatibel, aber die Kompromisse wie unterschiedlich starke Magnetisierung, sind doch gross.
Und da man viele Disketten braucht, liegt die Verwendung von SD-Karten nahe.
Der Raspberry Pi wird über einen selbstgebauten Adapter mit dem Diskettenanschluss verbunden und aus Sicht des Amigas ist dort ein richtiges Diskettenlaufwerk angeschlossen.
Sehr praktisch ist die Funktion, mit Knopfdruck die Disketten zu wechseln.


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Hier ein schönes "Regenbogen"-Bild. Da der Raspberry mit Linux läuft und dieses nicht Echtzeitfähig ist, wurde alles auf das absolute Minimum reduziert,
Das verfügbare Image wurde allerdings auf dem Raspberry Pi 1 optimiert und wie läuft nicht auf Version 2 oder 3 !


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Beim Einschalten wir zuerst die Konfiguration Software gestartet, man kann sehr komfortabel die Images auf die virtuellen Laufwerke ziehen.


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Auf Knopfdruck werden dann die Images gewechselt, wobei der Amiga automatisch erkennt, dass eine neue Diskette eingelegt wurde.


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Nun können wir Disketten Images verwenden und dies in einem sehr komfortablen Wechsler. Nun zum Massenspeicher.


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Wenn man die linke und rechte Maustaste gedrückt hält und dann den Amiga einschaltet, gelangt man in dieses Boot Menü, doch noch ist keine Festplatte sichtbar.


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Es ist fast ein Witz, Unix Software unter Windows laufen zu lassen, aber wir brauchen eine spezielle Funktion.


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Also, wir nehmen einen Computer,


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emulieren darin ein Computersystem,


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und starten darin ein Betriebssystem.


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Nun ist es sehr komfortabel, Disketten Images einzuhängen und zu wechseln. Dies besonders bei der Installation und es schont auch die Hardware.


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Nun wird es abgefahren: die am Computer angeschlossene Compact Flash Karte wird in den Emulator eingehängt
und kann vom simulierten Betriebsystem direkt beschrieben werden ! Also wenn das nicht cool ist.


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Dann passierte etwas überraschendes: Stille ! Lautlos ! Kein Festplattenrattern, kein Lüfter - Absolut still !



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Und es funktioniert ! Übrigens die Uhrzeit stimmte, nur war es nicht Nachmittag...


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Kein Internet. Internet ?



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Kinder staunen immer wieder und machen grosse Augen, wenn ich sage "Das war damals, vor dem Internet".


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Viele Modems hatten auch noch eine Faxfunktion...
Ein interessanter Vergleich mit heutigen Technologien wie LTE auf dem Smartphone oder dem Festnetz Anschluss,
ich habe seit einem Monat sogar Gigabit Glasfaser auch zu Hause. :-)


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Und hier sehen wir warum offene Systeme und offene Dokumentation so wichtig ist: damals als der PCMCIA Standard definiert wurde,
waren die RJ45 Stecker erst am Aufkommen und Wi-Fi das war völlig unbekannt !
Aber heute muss man "nur" noch einen Treiber dafür schreiben, die Dfü (Datenfernübertragung) Software erweitern und ist online!


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Damit ist also der Amiga wieder voll betriebsbereit und quasi "Up to date".
Wir haben nun 20 Jahre Computertechnik überbrückt, gehen wir 30 Jahre zurück:


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Vor 30 Jahren war ein Neukauf kein Problem, aber heute werden für den C64 kein Floppy’s noch Laufwerke weiter produziert.
Floppy’s oder Schlapp-Scheiben selber herzustellen ist doch zu aufwendig...
Und erschwerend bei der 5,25 Zoll Floppy ist der permanente Kontakt der magnetisierbaren Oberfläche mit dem Vlies der Hülle, der mechanische Abrieb ist leider unumgänglich.



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Völlig transparent, der C64 denkt eine echte Floppy sei verbunden.


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Die käuflichen Geräte waren (und sind) alle für den C 64 der Version 1, dem Brotkasten gedacht, Ich hingegen mit der Version 2 musste es "tieferlegen" :-)
Als ich es gebaut habe, gab es noch keine Arduino's, ich habe die Leiterplatte selber in der Küche geätzt.



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Die 5 V beziehe Ich vom Datassette Anschluss und musste sie auf die 3,3 V für die SD Karte reduzieren.
Heute sieht man leider öfters, wie SD Karten mit 5 V Volt direkt betrieben werden, aber auf Dauer geht das nicht gut und produziert "seltsame" Fehler...

Faszinierend: Alle Software die es je gab und vielleicht auch je geben wird, hat auf dieser kleinen Karte Platz !


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Es ist etwas weniger komfortabel, man muss etwas mehr tippen ;-)


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Bisher haben wir vorhandene Hardware ergänzt oder ausgebaut, aber wenn gar nichts mehr vorhanden ist...


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Emulatoren gibt es fast für alle Systeme und laufen auch auf vielen Systemen.
Aber es ist nicht so das Wahre,
das System auf dem der Emulator läuft muss mindestens 10x schneller sein als zu emulierende System, (es kann dadurch auch Verzögerungen geben),
bei Spezialprozessoren ist auch schnell das Limit erreicht.
Aber es gibt da eine ganz andere Möglichkeit:



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Die Abkürzung ist jetzt im deutschen Sprachgebiet nicht so glücklich gewählt.
Diese kleine Box, die man für unter 200 Franken kaufen kann, bildet zum Beispiel die Amiga Hardware in Hardware nach ! Nicht in Software !
Die Definition der Hardware wird ab SD Karte geladen und durch die entsprechende interne Verschaltung wird zum Beispiel ein Amiga synthetisiert,
Oder auf Knopfdruck gewechselt in ein Atari oder C64. Sehr viele Systeme sind verfügbar. Oder man kann die flexible Hardware verwenden zum Bitcoin's minen.



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Ein ausgeschaltetes FPGA besteht aus einer sehr grossen Anzahl an nicht miteinander verbundenen Logikzellen, beim Einschalten wird die Definition geladen und die entsprechenden Verbindungen hergestellt.
Der Ablauf ist wie folgt:
1) Definition der Funktion, dies kann als Schema gezeichnet oder quasi mathematisch programmiert werden,
2) Simulation der Funktion,
3) Zuweisung der Pins (zum Beispiel Input A auf Pin Nummer 52)
4) Hochladen (in den meist externen Speicher des FPGA's)
Die Funktion wird dann nachgebildet und läuft praktisch so schnell wie Hart-Verdrahtet !

Also wenn das nicht krass ist !
Mit diesem „Gluschtig-Macher“ schliesse ich meinen Vortrag, vielen Dank.


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